Author Archives: Florian Suchan

Übertragende Sanierung – so funktioniert sie

Ist ein Unternehmen illiquide, klopfen die Gläubiger meist schnell an die Tür und fordern mit Nachdruck ihr Geld ein. Langwierige Geschäftsbeziehungen werden auf die Probe gestellt und auch eine möglicherweise erst für in einigen Jahren avisierte Unternehmensnachfolge leidet unter dem Vertrauensverlust. In solchen Situationen denkt ein übergabewilliger Unternehmer regelmäßig daran, weitere private Mittel zur Rettung des Unternehmens nachzuschießen und das Unternehmen so für die geplante Nachfolge zu stabilisieren. Oft kommen so schnell erhebliche Mittel zusammen, die im Insolvenzfall kompensationslos verloren wären.

Wenn das zu übergebende Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät, kann sich im Einzelfall aber auch anbieten, keine zusätzlichen Mittel mehr zur Rettung nachzuschießen. Unter Umständen ist es sinnvoller, diese Mittel für einen Erwerb des Betriebes aus der Insolvenz durch den Nachfolger aufzuwenden und dadurch die „Altlasten“ zu beseitigen. Denn durch eine ehrliche Kommunikation mit den Beteiligten, eine stringente Planung und eine übertragende Sanierung kann ein „Neustart“ des Nachfolgers oftmals besser glücken als auf verbranntem Boden.

Wie eine übertragende Sanierung abläuft und welche Vor- und Nachteile sie bietet, soll der nahfolgende Beitrag skizzieren.

  1. Was ist eine übertragende Sanierung?
  2. Wie läuft eine solche Sanierung ab?
  3. Wer darf eine übertragende Sanierung durchführen?
  4. Was passiert mit den Arbeitnehmern?
  5. Welche Vor- und Nachteile hat eine übertragende Sanierung?
  6. Fazit

 

  1. Was ist eine übertragende Sanierung?

Kurz: Bei einer übertragenden Sanierung werden die Vermögensgegenstände eines Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ganz oder in Teilen verkauft. Eine übertragende Sanierung dient somit in erster Linie der Befriedigung der Gläubiger im Insolvenzverfahren. Für den Erwerber des Betriebs hat sie jedoch den Vorteil, dass er das Unternehmen mit einem neuen Rechtsträger ohne die alten Verbindlichkeiten fortführen kann. Das Unternehmen erhält somit eine zweite Chance.

Im Einzelnen:

Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, ernennt das zuständige Gericht meist einen Insolvenzverwalter. Dieser ermittelt, wie es um das Vermögen des Unternehmens („Insolvenzmasse“) bestellt ist und versucht, die Gläubiger des zahlungsunfähigen Unternehmens zu befriedigen (§ 1 InsO). Hierzu stehen ihm verschiedene Mittel zur Verfügung. Gelegentlich versucht der Insolvenzverwalter, das insolvente Unternehmen zu sanieren und neu zu organisieren, um wieder eine gewinnbringende wirtschaftliche Tätigkeit zu ermöglichen. Möglich ist jedoch auch, das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchzuführen. Die Geschäftsführung des zahlungsunfähigen Unternehmens bleibt insoweit am Ruder, ist jedoch nunmehr in erster Linie den Interessen der Gläubiger verpflichtet. In diesen Fällen sind Sanierungsbemühungen deutlich häufiger.

Unter Umständen ist die bloße Reorganisation des Unternehmens (sog. operative Restrukturierung) aber nicht vielversprechend oder sogar aussichtslos. So etwa, wenn die Krise eines eigentlich gesunden Unternehmens durch ein exogenes Event verursacht wurde und die Finanzierung auf den Kopf stellt, wodurch die Eigenkapitalquote sinkt und Finanzierungskosten steigen. Dann kann eine sog. finanzielle Restrukturierung die Finanzierung neu ordnen und das Unternehmen selbst wieder wettbewerbsfähig machen.

Die finanzielle Restrukturierung besteht aus Gesprächen mit den Finanzierungsparteien, in denen diesen die Lage des Unternehmens vermittelt und ein Lösungsvorschlag unterbreitet wird. Oftmals kommt es hierbei zu einem sog. „Haircut“. Hierunter versteht man einen Abschlag auf den Wert einer Forderung, ausgedrückt in Prozent. Schuldet das Unternehmen der A-Bank AG z.B. 1 MEUR, erhält jedoch einen Haircut von 20 %, wird es fortan behandelt, als belaufe sich die Forderung auf lediglich 0,8 MEUR. Außerhalb eines StaRUG- oder Insolvenzverfahrens bedarf es hierzu aber stets einer Zustimmung sämtlicher betroffenen Gläubiger.

Ein besonders schlagkräftiges Mittel ist dann die „übertragende Sanierung“. Hinter ihr steckt folgender Gedanke: Auch wenn das Unternehmen ohne weitere Kapitalzuführung materiell insolvent ist, können einzelne Unternehmensteile, Vermögensgegenstände oder das Geschäftsmodell einen erheblichen Wert haben. Durch den Verkauf des Betriebes im Ganzen kann dann mehr Geld als bei der bloßen Zerschlagung erzielt werden und die Gläubiger des Unternehmens erhalten eine höhere Befriedigungsquote als bei der gewöhnlichen Liquidation.

  1. Wie läuft eine solche Sanierung ab?

Die übertragende Sanierung ist grundsätzlich erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich. Technisch wird hierzu der Betrieb oder Betriebsteil von seinem ursprünglichen Rechtsträger (z.B. der GmbH) abgespalten und auf einen neuen Rechtsträger (z.B. GmbH) übertragen und fortgeführt, während die Verbindlichkeiten auf dem insolventen (alten) Rechtsträger verbleiben. Im Gegenzug zahlt der Erwerber einen Kaufpreis, der i.a.R. den Liquidationswert des Unternehmens übersteigt aber den tatsächlichen Wert des Unternehmens vor der Insolvenz nicht erreichen wird.

Der Unternehmenskauf kann hierbei grundsätzlich durch einen „Asset Deal“ oder „Share Deal“ erfolgen, wobei der Share-Deal nur in wenigen Fällen Sinn macht:

  • Bei einem Asset Deal werden die einzelnen Gegenstände des Unternehmens bzw. eines Unternehmensteils verkauft und auf den Käufer übertragen. So geht beispielsweise jedes Grundstück und jede Maschine einzeln in das Eigentum des Käufers über. Die Veräußerung von Sachvermögen in Form des Asset-Deals wird außerdem meist durch die Veräußerung immateriellen Vermögens (z.B. Kundenlisten und Marken) begleitet. Die Schulden und Verträge des Unternehmens verbleiben hingegen beim insolventen Verkäufer. Ein Asset-Deal ist bei einer übertragenden Sanierung der Normalfall.
  • Der Share-Deal kommt hingegen durch den Erwerb der Geschäftsanteile des insolventen Unternehmens zu Stande. Auf diesem Weg wird jedoch nicht nur das Vermögen des Unternehmens, sondern auch dessen Schulden erworben. Der Share-Deal ist bei einer übertragenden Sanierung daher nur selten Mittel der Wahl.

Der erzielte Kaufpreis geht an den Insolvenzverwalter, bzw. die von ihm verwaltete Insolvenzmasse. Dieser ist dabei gehalten, den bestmöglichen Erlös zu erzielen, um damit die Gläubiger des Unternehmens so gut er eben kann zu befriedigen. Insoweit muss eines klar sein: Ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung und auch eine übertragene Sanierung sind kein Freibrief, mit dem ein Unternehmer sich umsonst seiner Verbindlichkeiten entledigen kann. Erforderlich ist stets frisches Kapital („fresh money“), denn anderenfalls ist das Vorhaben zum Scheitern verurteilt.

  1. Wer darf eine übertragende Sanierung durchführen?

Die übertragende Sanierung erfolgt durch den Insolvenzverwalter oder bei Eigenverwaltung durch die Geschäftsführung des Unternehmens.

Aber Achtung: Eine übertragende Sanierung ist nur möglich, wenn die Gläubiger des Unternehmens dem Verkauf zustimmen (§ 160 InsO). Denn bei einem unwirtschaftlichen Unternehmensverkauf tragen gerade diese letztendlich die Verluste und müssen weiter auf ihr Geld warten. Die Zustimmung erfolgt durch den „Gläubigerausschuss“ oder die „Gläubigerversammlung“. Die Gläubigerversammlung ist aber mangels Teilnahme der Gläubiger oft nicht beschlussfähig (§ 76 InsO). Dann gilt die Zustimmung auch ohne Erklärung der Gläubiger als erteilt (§ 160 Abs. 1 S. 3 InsO). Nur in wenigen Fällen müssen die Gläubiger ausdrücklich zustimmen (vgl. §§ 162, 163 InsO).

  1. Was passiert mit den Arbeitnehmern?

Die Arbeitnehmer des verkauften Unternehmensteils gehen bei einem Asset Deal mit ihrem Betrieb auf den Käufer über. Dies ist gesetzlich angeordnet (§ 613a BGB). Der Käufer tritt somit als neuer Inhaber in Rechte und Pflichten des alten Arbeitgebers ein und muss die Arbeitnehmer über den Wechsel informieren (§ 613a Abs. 5 BGB).

Eine Kündigung wegen des Übergangs ist grundsätzlich nicht möglich (§ 613 Abs. 4 BGB). Dennoch: Ganz ausgeschlossen sind Betriebsbedingte Kündigungen vor oder nach dem Verkauf nicht.

Den Arbeitnehmern selbst steht ein Widerspruchsrecht zu. Üben sie dieses aus, bleiben sie bei ihrem alten Arbeitgeber (§ 613a Abs. 6 BGB). Steht das Unternehmen kurz vor der Abwicklung, macht der Widerspruch aber natürlich keinen Sinn.

Bei einem Share Deal erwirbt der Käufer ohnehin das Unternehmen selbst, sodass er ebenfalls Arbeitgeber der dort beschäftigten Arbeitnehmer wird.

  1. Welche Vor- und Nachteile hat eine übertragende Sanierung?

Die Wahl zwischen der weiteren finanziellen Unterstützung des Unternehmens, eine übertragende Sanierung oder anderen Alternativszenarien fällt oft schwer. Es ist daher wichtig, sich die Vor- und Nachteile der übertragenden Sanierung klarzumachen und diese im Einzelfall gegeneinander abzuwägen.

Insbesondere folgende Vorteile sprechen für eine übertragende Sanierung:

  • Die übertragende Sanierung ist kein Unternehmenskauf unter normalen Bedingungen. Insbesondere der Insolvenzverwalter ist an einem zügigen Verkauf interessiert, wodurch der Kaufpreis daher oft unter dem eigentlichen Wert des Unternehmens und den für eine operative Sanierung notwendigem zusätzlichen Cash-Flow Bedarf liegen wird.
  • Die übertragende Sanierung benötigt oft wenig Zeit. Der Prozess kann daher in vielen Fällen innerhalb weniger Monaten abgeschlossen werden. Eine operative Restrukturierung ist hingegen ein langwieriger und teilweise auch kapitalintensiver Vorgang.
  • Werden gesunde Unternehmensteile durch einen Verkauf „gerettet“, können Arbeitsplätze gesichert werden. Dies ist nicht nur im Sinne der Arbeitnehmer, sondern erspart dem Unternehmen auch Kündigungsschutzprozesse und Abfindungszahlungen.
  • Verbindlichkeiten gehen bei einer übertragenden Sanierung grundsätzlich nicht auf den Käufer über. Der Betrieb oder die rentablen Betriebsteile können so von Altschulden befreit werden und einen „Neustart“ wagen. Das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn die Firma (also der Name) fortgeführt wird (vgl. BGH, Urt. v. 11.04.1988, Az. II ZR 313/87).
  • Auch Arbeitnehmerverhältnisse folgen dem Betrieb (§ 613a BGB).

Aber auch einige Nachteile sollten bei der übertragenden Sanierung bedacht werden:

  • Sobald ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmens eröffnet wird, können Wettbewerber in (Bieter-)Konkurrenz treten. Ist daher bereits absehbar, dass ein Mitbewerber Interesse an dem Betrieb hat, sollten die notwendigen finanziellen Mittel für das Höchstgebot bereitstehen. Schließlich ist der Insolvenzverwalter bei dem Verkauf allein den Gläubigern des Unternehmens und nicht dem Interesse des ehemaligen Gesellschafters verpflichtet.
  • Die Mitwirkung der Gläubiger kann in Einzelfällen zu Problem führen. Insoweit kann sich ein sog. StaRUG- oder ein sog. Insolvenzplanverfahren anbieten, in denen dissentierende Gläubigergruppen u.U. überstimmt werden können. Welches Vorgehen sinnvoll ist, bedarf jedoch stets der Abwägung im Einzelfall.
  • Es gibt einige gesetzliche Haftungsregeln, die der Käufer des Unternehmens beachten muss. So ist der Erwerber eines Grundstücks beispielsweise weiterhin für bereits verursachte schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verantwortlich (§ 4 Abs. 3 BBodSchG). Ein vollkommener Neustart ist dann oft nicht möglich.
  • Sobald ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, wird der Insolvenzverwalter die Krise und das Fehlverhalten der Beteiligten aufarbeiten und – wenn nötig – Maßnahmen einleiten, um den Schaden für die Gläubiger zu verringern. Die entsprechenden Risiken sollten lieber zu früh als zu spät identifiziert, minimiert und bei der Abwägung der Handlungsalternativen berücksichtigt werden.

Ob eine übertragende Sanierung sinnvoll ist, muss somit im Einzelfall entschieden werden. Die Beratung eines spezialisierten Beraters wird meist unumgänglich sein, um Vor- und Nachteile angemessen erfassen und abwägen zu können.

 

  1. Fazit
  • Bei einer übertragenden Sanierung werden Unternehmensteile aus einem Insolvenzverfahren erworben. Mit dem Verkaufserlös werden die Gläubiger des insolventen Unternehmens (teilweise) befriedigt.
  • Die übertragende Sanierung wird meist durch Verkauf des Unternehmensvermögens („asset deal“) durchgeführt.
  • Gläubigerausschuss oder -versammlung müssen grundsätzlich zustimmen.
  • Mit einem Betriebsteil gehen auch die dort beschäftigten Arbeitnehmer auf den Erwerber über.
  • Der Käufer steht hingegen nicht für die Schulden des insolventen Unternehmens ein.
  • Insgesamt kann eine übertragene Sanierung bei Unternehmen in der Krise dadurch im Einzelfall ein geeigneter Weg zur Unternehmensnachfolge darstellen. Insbesondere, wenn das Unternehmen weitere finanzielle Unterstützung benötigt, sollten Chancen und Risiken konkret abgewogen werden.

 

 

Bernd Friedrich und Lars Ahlbory im Dialog mit der TAIFUN Software AG

Unser Mitglied und Vorstandsvorsitzender Lars Ahlbory wurde gemeinsam mit dem Nachfolgeexperten Dipl.-Wirtsch.-Ing. Bernd Friedrich zu steuerlichen Fallstricken bei der Unternehmensnachfolge interviewt. Der nachfolgende Dialog stammt von der Seite der TAIFUN Software AG. Die TAIFUN Software AG gehört im Zukunftsmarkt Digitalisierung zu der Speerspitze. Seit über 30 Jahren entwickeln sie erfolgreich kaufmännische Software (ERP SoftwareDMS SoftwareE-Mail ArchivierungssoftwareHandwerkersoftwareHandwerker App u.v.m.) für Handwerk und Handel. Der hohe technische Stand, die sichere und zuverlässige Funktion der Produkte und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sind das Ergebnis langjähriger Erfahrung sowie einer kontinuierlichen und intensiven Entwicklungsarbeit. Qualität in Verbindung mit einem herausragenden Preis-Leistungs-Verhältnis ist eines der wichtigsten Ziele der TAIFUN Software AG.

Wir freuen uns daher in besonderem Maße, dass sich die TAIFUN Software AG für unsere Arbeit interessiert.

Bernd Friedrich: Bei jedem Workshop, den ich zum Thema „Nachfolge“ seit Jahren vor Unternehmern / Unternehmerinnen halte, stelle ich fest, dass fast alle Teilnehmer / Teilnehmerinnen einen wesentlichen Fokus auf die persönlichen und unternehmerischen steuerlichen Auswirkungen legen. Warum ist das so?

Lars Ahlbory: Dies liegt daran, dass bei der Unternehmensnachfolge Aspekte im Hinblick auf steuerrechtliche Belastungen besondere Beachtung finden müssen. Je nach Art der Übertragung des Unternehmens oder der Rechtsform unterscheiden sich die steuerlichen Konsequenzen. Diese im Vorhinein nicht zu kennen kann zur Folge haben, dass unerwartet hohe Geldbeträge an das Finanzamt abgeführt werden müssen.

Herr Friedrich, Sie dürfen als Unternehmensberater keine steuerliche Beratungsleistung für die Unternehmer vornehmen. Welchen pragmatischen Tipp geben Sie den Unternehmern / Unternehmerinnen im Zuge der steuerlichen Aspekte mit auf den Weg?

Bernd Friedrich: Die Steuerberater / Steuerberaterinnen sind in der Regel langjährige Begleiter / Begleiterinnen im Leben „des Unternehmens“. Das bedeutet, es besteht ein sehr gutes Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmer / Unternehmerin und Steuerberater / Steuerberaterin. Wie Sie oben bereits erwähnt haben, ist es zwingend notwendig, dass diese Expertise mit eingebunden wird.

Zur Durchführung eines qualitätsgesicherten und professionellen Ablaufs muss klar sein, ob der Steuerberater / die Steuerberaterin die fachliche Kompetenz sowie Erfahrung auf diesem Gebiet besitzt. Falls diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, empfehle ich einen Experten / eine Expertin aufzusuchen. Die unentgeltliche Übertragung des Betriebes innerhalb der Familie oder an fremde Dritte ist ein bemerkenswerter und in der Regel einmaliger Prozess im Leben eines Unternehmers / einer Unternehmerin, was sowohl erhebliche steuerliche, als auch finanzielle Auswirkungen mit sich bringt.

Herr Ahlbory, können Sie bitte die wesentlichen steuerlichen Fallstricke bei der unentgeltlichen Übertragung des Betriebs innerhalb der Familie kurz aufzeigen? Vielleicht haben Sie auch ein Beispiel aus Ihrer Praxis?

Lars Ahlbory: Bei dieser Art der Weitergabe muss zunächst zwischen einer lebzeitigen und einer testamentarischen Übertragung unterschieden werden. Der Vorteil einer Übertragung zu Lebzeiten liegt darin, dass eine mehrmalige Ausnutzung der Steuerfreibeträge* möglich ist. Zusätzlich kommen Pflichtteilsreduzierungen* in Betracht.

*Steuerfreibeträge: Festgelegter Betrag, bis zu dem der Steuerpflichtige seine Einnahmen nicht versteuern muss 

*Pflichtteilsreduzierungen: Gewissen Personengruppen steht im Erbfall (unabhängig von dem im Testament niedergelegten Willen) ein Pflichtteil zu, geregelt durch das Pflichtteilsrecht

Bei der testamentarischen Übertragung sollten vorsorglich bereits vor dem Erbfall Vollmachten auf Privat- und Unternehmensebene gefertigt werden. Das Testament sollte gut durchdacht sein. Außerdem müssen erbrechtliche Gestaltungen im Einklang mit gesellschaftsvertraglichen Regelungen stehen. Wenn sich der Gesellschaftsvertrag und das Testament widersprechen, floppt die Unternehmensnachfolge. Ein Problem äußert sich hierbei insbesondere in dem Ungleichgewicht zwischen dem Erwerber des Unternehmens und anderen Pflichtteilsberechtigen in der Familie. Zum Ausgleich können im Nachhinein Zahlungen durch den Erwerber erfolgen. Dies muss zur Absicherung des eigenen Vermögens bereits frühzeitig bedacht werden. Im Idealfall verzichten Ehegatten und Geschwister auf ihren Pflichtteil. Ansonsten kommt die gesetzliche Abschmelzungsregelung* (10-Jahresfrist) in Betracht. Hier zeigt sich deutlich der Vorteil der lebzeitigen Übertragung, weil hier Pflichtteilsansprüche reduziert oder gar vermieden werden können.

*Abschmelzungsregelung: Schenkungen, welche zu Lebzeiten erfolgten, werden innerhalb jedes weiteren Jahres um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt bzw. dem Nachlass angerechnet

Der Wert der Bereicherung, also alles was beim Erwerber ankommt, wird durch die Erbschaftssteuer belastet. Je nach Beziehungsgrad in der Familie werden alle 10 Jahre unterschiedliche Freibeträge gewährt und verschiedene Steuerklassen für die Besteuerung angesetzt.

Von der Unternehmensverschonung kann ebenfalls profitiert werden. Dabei gibt es einen Steuernachlass, wenn die Lohnsumme für fünf bis sieben Jahre konstant gehalten werden kann.

Praxisbeispiel: Nehmen wir an, dass ein Unternehmen im Wert von zwei Millionen Euro innerhalb der Familie verschenkt wird. Wird die Lohnsumme für insgesamt sieben Jahre konstant gehalten, so sollte die Optionsverschonung* ausgenutzt werden. Hierbei werden 100 % des begünstigten unternehmerischen Vermögens freigestellt. Fällt das Vermögen des Unternehmens geringer als eine Millionen Euro aus, lohnt sich wiederum die Regelverschonung* eher. Die Regelverschonung stellt 85 % des begünstigten Vermögens frei. Zusätzlich gibt es noch einen Freibetrag von 150.000 Euro. Der Wert des Vermögens wird durch den Abzugsbetrag in Verbindung mit dem persönlichen Freibetrag so weit gesenkt, dass die Schenkung im Ergebnis steuerfrei ist.

*Optionsverschonung: Vermögen wird in voller Höhe, also zu 100% steuerbefreit

*Regelverschonung: Vermögen wird in voller Höhe, also zu 100% steuerbefreit

Was haben Sie, Herr Friedrich, bei den Nachfolgeprojekten Ihrer Kunden erlebt, die ihren Steuerberatern / Steuerberaterinnen in den Prozess eingebunden haben?

Bernd Friedrich: Es gab Kunden, die mich nach einer Empfehlung befragt haben. In meiner Praxis habe ich auch erlebt, dass die Profis auf dem Gebiet der (betrieblichen) Steuerberatung Expertenkollegen / Expertenkolleginnen aus deren Netzwerk dazu gezogen haben. Zumeist kamen sie aus der eigenen Kanzlei. Das Zusammenspiel der vertrauten Kollegen untereinander hat sehr gut funktioniert. Und am Ende waren meine Kunden mit der gefundenen Lösung sehr zufrieden.

Herr Ahlbory, zur Vervollständigung der Möglichkeiten der Weitergabe von Unternehmen ist der Verkauf an fremde Dritte zu nennen. Worauf müssen Abgeber / Abgeberinnen hier besonders achten? Vielleicht können Sie hier ebenfalls ein Praxisbeispiel anfügen.

Lars Ahlbory: Bei der Übertragung des Unternehmens an Dritte könnte ein Interessenkonflikt entstehen. Dies liegt daran, dass für den Erwerber der sogenannte Asset Deal (Verkauf von Einzelwirtschaftsgütern) vorteilhaft sein kann, für den Veräußerer bietet sich jedoch im Gegensatz dazu der Share Deal (Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften) an. In diesem Punkt müssen beide Parteien vor Vertragsabschluss zu einer einvernehmlichen Lösung gelangen.

Bei der Besteuerung des Veräußerungsgewinns ist zu differenzieren, ob Anteile an einer Kapitalgesellschaft oder an einer Personengesellschaft verkauft werden. Zusätzlich ist zu fragen, ob der Veräußerer die Anteile in seinem Betriebs- oder in seinem Privatvermögen hält. Wenn der Unternehmer zum Beispiel Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die er im Privatvermögen hält, veräußert, wird der Veräußerungsgewinn nach dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr.40 b iVm. § 3c II EstG versteuert. Hiernach sind 60 % der Veräußerungsgewinns mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern. Hält der Veräußerer die Anteile hingegen über eine Holding, so hat die Holding nur 5 % des Veräußerungsgewinnes zu versteuern. Will sich der Veräußerer dann von seiner Holding Gewinne ausschütten, hat er diese Gewinne entweder über das Teileinkünfteverfahren oder über die Kapitalertragssteuer mit 25 % zu versteuern.

Werden Anteile an einer Personengesellschaft veräußert, kann der Veräußerer in den Genuss der Fünftelregelung und einmal in seinem Leben in den Genuss des sog. „halben“ Steuersatzes kommen.

Der Veräußerungsgewinn wird nach der Fünftelregelung so behandelt, als würde ihn der Empfänger auf fünf Jahre verteilt erhalten. Eine einmalig hohe Steuerbelastung wird somit vermieden.

Der „halbe“ Steuersatz geht in Wirklichkeit von 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes aus. Dieser ,,halbe‘‘ Steuersatz wird nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt. Der Steuerpflichtige muss gem. § 34 Abs. 3 EStG das 55. Lebensjahr vollendet haben oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauerhaft berufsunfähig sein.

Liegt der Gewinn unter 136.000 Euro, kann ein Freibetrag in Höhe von 45.000 Euro voll angerechnet werden. 

Praxisbeispiel: Wird ein Einzelunternehmen mit 120.000 Euro Gewinn verkauft, so wird hiervon zunächst der Freibetrag abgezogen. Der zu versteuernde Gewinn liegt nunmehr bei 75.000 Euro. Dieser wird, wenn die oben angeführten Bedingungen gegeben sind, mit dem ,,halben‘‘ Steuersatz versteuert. Wenn der Unternehmer keine nennenswerten weiteren Einkünfte hat, beläuft sich der durchschnittliche Steuersatz auf ca. 30 %. Der „halbe“ Steuersatz mit 56 % führt zu einer Besteuerung mit der Einkommensteuer in Höhe von 16,8 %.

Zusammenfassung

Wir können festhalten, dass es bei der Unternehmensnachfolge mehrere Gestaltungsvarianten gibt, mit denen eine Steuervergünstigung erreicht werden kann. Ein Tipp, der für alle Beteiligten gilt, ist der, dass frühzeitig die geeignete Rechtsform für die Unternehmensübertragung gefunden werden sollte. Umwandlungen können Sperrfristen von bis zu 7 Jahren auslösen. Auch deswegen sollte die Nachfolge mit Weitblick geplant werden. Der potenzielle Nachfolger sollte bei Möglichkeit an den Geschäftsbetrieb herangeführt werden, sodass im Idealfall ein gleitender Übergang im Unternehmen erfolgen kann.

Während dem Planungsprozess empfiehlt sich auch die Entwicklung eines ,,Notfallkoffers‘‘, mit dem bei unerwartetem Ausfall des Unternehmers die Geschäftsführung aufrechterhalten werden kann

Bei der Übertragung soll ein geeigneter Vertreter gefunden, zukünftige Ziele definiert, Übergabe- und Zahlungsmodalitäten geklärt und auch Erbansprüche geregelt werden.

Dies bei der Entscheidung zur Unternehmensübertragung zu bedenken, kann einem durch einen geplanten und durchdachten Ablauf des gesamten Prozesses in vielerlei Hinsicht Vorteile bringen.

Wir empfehlen den Unternehmensgebern / Unternehmengerbinnen sich von Experten / Expertinnen mit einer großen Erfahrung auf diesem Gebiet begleiten zu lassen.

Jobs To Be Done Tools

Die JTBD/ WoP Toolbox

Immobilien des Privatvermögens zivilrechtlich und steuerlich optimal übertragen

Wir freuen uns, Sie auf folgende Veranstaltung aufmerksam zu machen: Unser Mitglied Lars Ahlbory LL.M. (Brüssel) hält ein Ganztagesseminar an der Akademie für Steuer- und Wirtschaftsrecht in Köln. Das Seminar ist zum Nachweis der Pflichtfortbildung für Fachberater Unternehmensnachfolge (2 Zeitstunden) geeignet.

 

Inhalt

Immobilien stellen häufig den wesentlichen Teil des Privatvermögens dar. Somit ist die Übertragung von Immobilien ein entscheidender Schlüssel bei der Vermögensnachfolge. Bringen Sie bei der Nachfolgeberatung Ihre Antworten auf zivil- und steuerrechtliche Fragen in Einklang.

Das Seminar unterstützt Sie bei der Gestaltung von vorweggenommenen und gewillkürten Erbfolgelösungen. Hierbei werden unter anderem die Erbengemeinschaft, die Familiengesellschaft und der Verkauf von Immobilien an nahe Angehörige besprochen.

Fragen zur Testamentsvollstreckung, Bewertung, den Freibeträgen und Fällen aus der Praxis runden den Vortrag ab.

Mehr Informationen zu den einzelnen Themen finden Sie hier.

Veranstaltungsdatum

Donnerstag, 10.09.2020
09:30 – 16:45 Uhr

Veranstaltungsort

Schulungszentrum der Akademie
Von-der-Wettern-Str. 17
51149 Köln

Teilnehmergebühr

320,00 EUR für Mitglieder des Steuerberater-Verbandes e.V. Köln und ihre nicht berufsangehörigen Mitarbeiter

225,00 EUR für Mitglieder des Steuerberater-Verbandes e.V. Köln, die nach dem 01.07.2018 zugelassen wurden