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Nachfolge-Herausforderungen zwischen den Formalitäten

von Annegret Garschagen, August 2024

Alex ist seit Jahren darauf vorbereitet das Unternehmen seines Vaters zu übernehmen. Es gibt Pläne sowie Übergangsfristen und rechtlich ist im Prinzip alles geregelt. Es herrscht eine scheinbar große Einigkeit, wie das ganze ablaufen soll. Doch je mehr es auf die finale Übergabe und damit den Rückzug des Vorgängers, seinem Vater, zugeht, desto öfter kommt leise Sand ins Getriebe. Irritationen werden häufiger, Absprachen scheinbar nicht eingehalten, der geplante Rückzug aus dem operativen Kundengeschäft wird immer wieder verschoben. Klar, dafür gibt es immer einen scheinbar plausiblen Grund – aber de facto spürt Alex, dass da was nicht stimmt und leidet unter dem Verdacht, sein Vater traue ihm die Sache doch nicht so recht zu.

Leider ist das keine weit hergeholte Konstruktion, sondern etwas, das wir vom RheinFolge e.V. bei der Begleitung von Unternehmen in der Übergangs-Phase desöfteren erleben. Schwierig ist eine solche Dynamik leider direkt in mehrfacher Hinsicht:

==> Es belastet die familiäre Vertrauens-Beziehung nachhaltig – das gilt natürlich auch für außerfamiliäre Nachfolgebeziehungen.
==> Die Irritationen schwingen im ganzen System Unternehmen mit – die Mitarbeiter:innen und Geschäftspartner:innen bekommen das mit. Es können ungünstige Koalitionen entstehen, die sich negativ auf die Unternehmensentwicklung und das Image auswirken.
==> Energie und Zeit, die für Innovation, Digitalisierung und zukunftsfähigen Ausbau der Geschäftsfelder benötigt wird, wird durch die Konflikte aufgezehrt, auch wenn sie nur subtil ablaufen. Stillstand – ja, sogar Rückschritt – kann die Folge sein.

Um diese Dynamik von vornherein auszubremsen, möchte ich Ihnen heute 3 simple Empfehlungen geben, die -beherzt und richtig umgesetzt- direkt Abhilfe verschaffen.

Operatives Time-Out
Führen Sie einmal im Monat ein Meeting ein, in dem es nur um das Voranschreiten des Prozesses, Strategisches und die gegenseitigen Erwartungen geht– nicht um Entscheidungen auf der Ebene des operativen Tagesgeschäftes. Schaffen sie dafür ein Setting, das Diskretion und eine vertrauensvolle Atmosphäre ermöglicht.

Folgende Fragen können dabei ein hilfreicher Leitfaden sein:

==> Wie geht es mir mit unserem geplanten Prozess?
==> Welche Wünsche habe ich an Dich?
==> Wo brauche ich Unterstützung?
==> Wo möchte ich mehr Einfluss/Gestaltungsfreiheit?
==> Was fällt mir schwer? (z.B. was fällt mir schwer loszulassen? Oder: welcher Verantwortungsbereich fällt mir noch schwer und was hilft mir, darin sicherer zu werden?)
==> Was entscheiden wir aufgrund des gegenseitig Gehörten miteinander? Ökocheck: tragen wir die Entscheidung wirklich mit? Wenn wir innerlich schwanken: welche Vorbehalte haben wir?

Rückzug
Planen Sie als Vorgänger Ihren Rückzug realistisch und überlegen Sie sich, was Ihnen hilft, loslassen zu können. Dazu gehört auch, sich rechtzeitig zu überlegen, was Sie sich für Ihre Verabschiedung wünschen. Verabschiedungen gibt es viele: von Kunden und langjährigen Geschäftspartnern (zumindest in der Rolle als geschäftsführender Inhaber), von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Vielleicht möchten Sie ja sogar zusätzlich in einer eher privaten Runde von Familie, Freunden und Weggefährten auf das Geleistete anstoßen und das Kapitel würdig schließen. Alles, was Ihnen hilft, bewusst auszusteigen und Ihren Anteil am Unternehmen zu würdigen, unterstützt einen „echten Ausstieg“ aus der alten Rolle. Und ja, es gibt auch den „unechten Rückzug“ – den haben Sie z.B., wenn Sie noch lange als Berater im Hintergrund agieren (so das definierte Rollenprofil) und dennoch regelmäßig in operative Geschäftsentscheidungen eingreifen. Machen Sie sich klar, dass damit auch immer eine Grenzüberschreitung gegenüber der aktuellen Nachfolge einhergeht.

Vision und Zukunftsszenarios:
Erlauben Sie sich als Nachfolger eigene Ideen und Visionen bewusst zu entwickeln. Nicht nur punktuell, sondern als umfassendes Zukunftsszenario für die Unternehmensentwicklung. Was wie eine Bagatelle und nach „Kernaufgabe Unternehmertum“ klingt, ist tatsächlich nicht immer selbstverständlich. Das hat meiner Erfahrung nach sehr unterschiedliche Gründe. Hilfreich ist es hier auch eine „Taskforce“ aus allen Perspektiven des Unternehmens um sich zu scharen, um auch das Wissen des Systems ausreichend zu berücksichtigen und zu würdigen. Gleichzeitig fördert das Eingebundensein die Akzeptanz für Veränderungsvorhaben. Geben Sie gleichzeitig aber auch der Frage „Was möchte ich bewahren?“ ausreichend Raum und kommunizieren auch das auf angebrachte Weise im Unternehmen. Bei all diesen Überlegungen kann -teilweise sollte- auch der Vorgänger mit seinen Erfahrungen, seinem Know-How und seinen Ideen noch mit eingebunden sein. Inwiefern, ist sicherlich eine Entscheidung, die im Einzelfall unterschiedlich zu bewerten ist.

Grundsätzlich kommt es bei der Kommunikation von Veränderungsvorhaben auf Fingerspitzengefühl, den richtigen Zeitpunkt und auch eine kluge Reihenfolge an. Nicht selten kommt es vor lauter schwungvoller ad-hoc-Veränderung zu Irritationen im System, die unnötig sind. Entweder weil noch kein Verständnis und damit auch keine Akzeptanz im Unternehmen existiert oder weil die Belegschaft das Gefühl vermittelt bekommt, alles, was sie bisher gemacht haben, sei jetzt „unnütz“. Innovation, neue Geschäftsfelder, Digitalisierung: Ja, unbedingt! Nur bitte in einer Dosis, in der ein gesunder Wandel erfolgen kann.

Zur Autorin: Annegret Garschagen begleitet als Coach und Organisationsentwicklerin Unternehmer:innen und Unternehmerteams in der Nachfolge. Mit ihrem psychologischen und betriebswirtschaftlichen backround begleitet sie die komplexen Situationen als Sparring über einen längeren Zeitraum hinweg.